Aktivkohle gegen Kaktussuppe

Aktivkohle? Was soll das denn? Ungläubig schaue ich auf die Packung mit den Tabletten. Offensichtlich ein Durchfallpräparat. Während andere auf Steaks kauen kann ich also im Ernstfall ein schönes Grillbrikett lutschen. Sachen gibt's... Gelangweilt durchforste ich die Reiseapotheke nach weiteren Schätzen. Tina informiert sich am Rechner über typische Bräuche Indiens und tropischen Parasitenbefall. Es sind noch zwei Wochen Zeit bis zum Abflug. Wozu die Hektik? Zugegeben, wir haben einiges vor. Acht Monate wollen wir der Heimat den Rücken kehren. Länder auf fast allen Kontinenten erkunden. Exotische Krankheiten am eigenen Leib erfahren. Trotzdem sehe ich nicht ein, meinen Rucksack früher als drei Tage vor der Abfahrt zu packen. Tina reagiert angesäuert. Ich kontere mit sachlichen Argumenten (nutzlos) und einem köstlichem Mittagessen (Volltreffer). Meinungsverschiedenheit beigelegt. Glaubt man uns Nahestehenden, so ist dies eine typische Szene im Beziehungsleben von mir - Georg - und meiner Freundin Tina. Wann immer jemand unsere Liaison beschreibt, spielt Essen eine Rolle. Kein Konflikt schlimmer als der Zank um den letzten Keks. Kein Streit, der sich nicht mit einem Stück Kuchen beilegen lässt. Ob wir uns davon geschmeichelt fühlen sollten. Wir wissen es nicht. In Lebensläufen verschweigen wir derartige Charakterzüge geflissentlich. Hier prangt seit kurzem der Erwerb des ersten Staatsexamens an der Uni Potsdam. Disziplin: Lehramt, Sport. Da wächst also wieder eines dieser Pädagogen-Paare heran. Diese seltsame Spezies, der man nachsagt, sie verdiene ihr Geld mit der Ausgabe eines Balls an fußballwütige Schüler. Doch halt, so einfach ist es nicht mehr. Nach neusten Richtlinien des Kultusministeriums soll zeitgemäßer Unterricht selbstbestimmt, differenziert und inklusiv sein. Der moderne Sportlehrer bietet demnach ein buntes Buffet aus Lederbällen, Softbällen und Bällen mit integrierten Glöckchen an, aus dem die Schüler nach ihrer persönlichen Facon wählen dürfen. Erst dann setzt er sich an den Rand und wartet auf das Stundenende. Aber an Arbeit ist jetzt nicht mehr zu denken. Abschiedsfeiern müssen organisiert und Behördengänge getätigt werden. Wir versprechen Freunden, Postkarten zu schreiben und Großeltern, auf uns aufzupassen. Die letzten Tage in der Heimat vergehen wie im Fluge. Dann ist er da, der Tag der Abreise. Als wir die Rucksäcke am Schalter abgeben, kribbelt es an den Handgelenken. Jetzt hat es also auch der Körper begriffen: Es geht los!